"Hèn mà còn nhận ra mình là thằng hèn, là hèn tử tế. Hèn mà ngậm miệng ăn tiền là hèn nhơ bẩn.
Hèn mà ngậm máu phun người là hèn bất nhân. Hèn bán đất bán nước thì trời tru đất diệt"
(Phạm Chuyên)

Sonntag, 9. Januar 2011

Die Auffallenden unter den Unauffälligen

Leserbrief von Rupert Neudeck

Die Reportage "Das Leben der Unauffälligen" (F.A.Z. vom 27. Dezember) dreht sich vor allem um Vietnamesen, die als DDR-Vertragsarbeiter nach Deutschland gekommen sind. Weitgehend unbeachtet bleiben die etwa 40 000 Vietnamesen, die in den achtziger Jahren nach Westdeutschland kamen. Allein die drei unter dem Namen "Cap Anamur" laufenden Schiffe haben 11 300 Flüchtlinge aus höchster Gefahr gerettet und nach Deutschland gebracht. 

Die Bootsflüchtlinge haben alles getan, um sich der deutschen Gesellschaft gegenüber würdig zu erweisen. Von wegen unauffällig - diese Vietnamesen sind in aller Regel nicht arbeitslos, sie schicken ihre Kinder auf höhere Schulen und Universitäten und fallen dort durch exzellente Leistungen auf. Deshalb sind sie die bis heute am besten aufgenommene Gruppe von Ausländern geworden.

Am 4. September 2009 wurde im Hamburger Hafen ein von den Vietnamesen gespendeter und gestalteter Gedenkstein eingeweiht. Anwesend waren unter anderen der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering. Vielen traten Tränen der Rührung in die Augen, als auf dem Höhepunkt dieser Veranstaltung die anwesenden Vietnamesen die deutsche Nationalhymne sangen. Keiner der anwesenden Politiker hatte je ein solches Integrations-Initiations-Erlebnis gehabt. Dabei waren die Bootsflüchtlinge ja keineswegs von Anfang an willkommen gewesen. Etliche Bundesländer hatten die Aufnahme verweigert, und auch im Auswärtigen Amt wurde mir bei meinem ersten Gespräch in dieser Angelegenheit von einem Staatsminister bedeutet, ich solle mit dem Schiff "nicht zu viele Menschen retten", das gäbe Ärger.

Diese Gruppe der Vietnamesen kam hierher wegen ihrer Gegnerschaft zum kommunistischen Regime und nicht als vom Regime ausgewählte privilegierte Vertragsarbeiter, welche die Schulden der vietnamesischen Regierung abarbeiten sollten. Die Bootsflüchtlinge brauchten Subsidiarität weder als schwieriges Wort noch als Haltung zu lernen. Sie legen immer gleich selbst Hand an. So waren sie zur Stelle, als in Troisdorf, dem früheren Sitz der Hilfsorganisation "Cap Anamur", das Fluchtboot restauriert werden musste, das dort zur Erinnerung an die von deutschen Bürgern bezahlte und gewollte Rettungsaktion steht. Die Verwaltung von Troisdorf wollte das Schiff dem natürlichen Verfallsprozess preisgeben. Auf Zuruf kamen Vietnamesen aus Krefeld und Mönchengladbach und reparierten es. Dabei setzen sie sich nicht nur für eigene Belange ein. Der erste Vietnamese, den die Bundesrepublik für seine langjährige Sozialarbeit in Mönchengladbach mit dem Verdienstkreuz ausgezeichnet, war Herr Van Ri. Heute sammelt er in seiner Vietnamesengemeinde nicht nur für Arme in Vietnam, sondern auch für die Flutopferhilfe der Grünhelme in Pakistan. Das sollte auch mehr auffallen.

Rupert Neudeck, Troisdorf

 ................................................

Das Leben der Unauffälligen

Sie gelten als Vorbild für eine gelungene Integration, auch Thilo Sarrazin lobte die Vietnamesen in Deutschland in seinem Buch. Die Schulnoten ihrer Kinder sind gut, sie haben Erfolge vorzuweisen. Doch möchten selbst manche Vietnamesen sich nicht als Vorbild sehen. Denn viele sind nie wirklich angekommen in Deutschland. Sie fallen nur nicht auf.Von Marie Katharina Wagner

26. Dezember 2010 
Berlin, im Dezember

Van Dan Le hat noch nie in Thilo Sarrazins Buch gelesen. Er liest andere Dinge, Preislisten zum Beispiel, außerdem hat er für Bücher kaum Zeit. Jeden Tag steht er von früh morgens bis spät abends in seinem Eckladen im Prenzlauer Berg und bemüht sich, die Wünsche seiner Kunden zu erfüllen. Von ausgefallenen Architekturmagazinen über französischen Schokoladenaufstrich bis zur Winkekatze kann man in den überfüllten Regalen und engen Gängen alles finden, und darum gehen die gut verdienenden Eltern aus dem schicken Bötzowviertel lieber hier einkaufen als beim aufgeräumten Supermarkt um die Ecke.


Weil er so wenig Zeit hat, weiß Herr Le also nicht, dass er und seine Familie in Sarrazins Buch vorkommen, als positive Beispiele dafür, wie Integration funktionieren kann. Sarrazin schreibt in "Deutschland schafft sich ab": "Inder und Vietnamesen wirken in Deutschland mindestens so fremdartig wie Türken und Araber und haben doch viel größere Erfolge in unserer Gesellschaft vorzuweisen." Sarrazin ist nicht der Erste, der auf diese These kommt. Vietnamesen werden gerne als Musterbeispiele der Integration angeführt. Herr Le, der vor fast 30 Jahren aus Vietnam nach Deutschland kam, in der DDR Kybernetik studierte und von sich sagt, er sei für die Arbeit geboren, findet, dass das auch so stimmt.

Er hat vier Söhne, alle sind gut in der Schule, alle sprechen perfekt Deutsch. Sie helfen nur selten im Laden aus, Herr Le will das nicht. Sie sollen studieren, angesehene Berufe ergreifen, Familien gründen. Auf sie wird Sarrazins These einmal zutreffen. Aber in Berlin leben nach offiziellen Angaben knapp 13 000 Menschen vietnamesischer Staatsbürgerschaft, nach Schätzungen von Vietnamesen sogar mehr als 30 000. Nur ein Bruchteil von ihnen ist so gut integriert wie Van Dan Les Kinder. Die große Mehrheit lebt in einer Parallelgesellschaft, die mindestens so verschlossen ist wie die der Türken in Neukölln. Sie fällt nur nicht so auf.
Denn während die Türken und Araber ihre Märkte und ihr Sozialleben auf den Straßen Kreuzbergs und Neuköllns etabliert haben, leben die Vietnamesen zurückgezogen und unbemerkt an den Rändern der Stadt. Etwa im Spandauer Industriegebiet, zwischen Ikea, TÜV und dem flaggenbestückten Kleingartenverein "Schlangengraben". Da steht die Linh-Thuu Pagode - das größte religiöse Zentrum der buddhistisch-vietnamesischen Gemeinde in Berlin. Hinter einem goldenen Eingangstor stehen marmorne Löwenfiguren Spalier, grinsende Buddhafiguren und Lampions säumen den Weg zu einem flachen, hellgelben Gebäude, das demnächst einer noch viel größeren Pagode weichen soll.

Jeden Sonntagvormittag kommen Vietnamesen aus ganz Berlin hierher zu einer buddhistischen Zeremonie und gemeinsamem Mittagessen. Dass sie tatsächlich aus der ganzen Stadt kommen, ist bemerkenswert, denn in den Köpfen großer Teile der vietnamesischen Diaspora scheint die Mauer noch zu stehen. Drei Viertel von ihnen leben in Ost-Berlin, weil es die Nachfahren der 60 000 Vertragsarbeiter sind, welche die Deutsche Demokratische Republik zwischen 1980 und 1989 aus der wiedervereinigten Sozialistischen Republik Vietnam in ihre Kombinate und Volkseigenen Betriebe holte.

West-Berlin hatte seine eigenen Vietnamesen: Dorthin kamen die vor den Kommunisten auf kleinen Barkassen über das Meer geflohenen "Boat People" aus Südvietnam, von denen die Bundesrepublik 30 000 aufnahm. Sie wurden mit offenen Armen empfangen, bekamen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, Sprachförderung, gründeten Restaurants oder kleine Läden. Heute sind die meisten von ihnen deutsche Staatsbürger. Mit den Nordvietnamesen in Ost-Berlin haben sie kaum Kontakt, auch die zweite Generation hält Abstand voneinander. Zu unterschiedlich ist die ideologische Prägung, auch wenn es nur die Ideologie der Eltern ist.
In der Spandauer Pagode wiegen aber alle gemeinsam ihre Oberkörper und beten stundenlang zu hypnotisierenden Trommelschlägen und beißendem Räucherstäbchenqualm. In einem abgetrennten Raum hängen Hunderte Bilder toter Gemeindemitglieder an der Wand. Ein Tisch biegt sich unter den Speisen, die ihnen geopfert werden. Zwischen Reisschälchen und Papayas liegt auch deutsche Schokolade.

Nach der Zeremonie für die Verstorbenen, während der viele still vor sich hin weinen, gibt es Mittagessen. Am Tisch sitzt Herr Nguyen aus Hohenschönhausen mit seinen zwei Kindern. Sie sprechen Deutsch miteinander, machen Witze. Ihr Vater versteht sie nicht. Sein Deutsch ist rudimentär, den Kindern ist das peinlich. Wenn er eine Frage falsch versteht, lachen sie beschämt, korrigieren ihn auf Vietnamesisch und antworten dann auf Deutsch für ihn. Als er sagt, er sei Schlosser, schüttelt seine Tochter den Kopf. Seit Jahren arbeite er nicht mehr in seinem eigentlichen Beruf. Zwischendurch habe er in einem Imbiss ausgeholfen, jetzt sei er arbeitslos. Aber als Herr Nguyen nach Deutschland kam, vor mehr als 20 Jahren, da kam er als Schlosser. Die DDR hatte ihn angeheuert, um fünf Jahre lang in einer Erfurter Maschinenfabrik zu arbeiten.

Von Integration war damals noch nicht die Rede, und weil die Vertragsarbeiter ohnehin wieder zurückgehen sollten nach Vietnam, wurden sie bewusst unter ihresgleichen gelassen. In Berlin lebten sie zu mehreren in kleinen Zimmern in schäbigen Wohnheimen in Hellersdorf, Marzahn oder Lichtenberg, wo bis heute die meisten Vietnamesen wohnen. Auch Frauen waren dabei. In den Abkommen zwischen Vietnam und der DDR stand, dass sie nicht schwanger werden durften. Wenn sie es doch wurden, mussten sie abtreiben oder in ihre Heimat zurückkehren.

Als die DDR nicht mehr war, standen die Vertragsarbeiter da, mit ihren Verträgen, die noch ein paar Jahre galten, aber ohne Fabriken, in denen sie hätten arbeiten können. Vor allem aber hatten sie keinen Aufenthaltsstatus mehr. Alles war plötzlich anders, nicht einmal die Deutschen durchschauten die neue Rechtslage. Wie sollten es da die Vietnamesen tun? Rund zwei Drittel von ihnen, gut 40 000 Vietnamesen also, nahmen die Abfindung der Bundesregierung von 3000 DM an und gingen zurück nach Asien.
Die restlichen 20 000 fingen an, sich in Deutschland durchzuschlagen, nicht immer auf legalem Weg. Anfang der neunziger Jahre beginnt die große Zeit der vietnamesischen Zigarettenmafia, der Bandenkriege, die zahlreiche Tote fordern. Die Deutschen begegnen den Vietnamesen mit wachsender Feindseligkeit, das Schimpfwort "Fidschi" wird populär. 1993 legalisiert die Bundesregierung den Status der Vertragsarbeiter zumindest teilweise, sie dürfen wieder arbeiten. Schlagartig öffnen sie Hunderte kleine Läden, Imbisse und Nagelstudios, verkaufen Blumen, Kleidung, Obst und Gemüse. Ihre Kunden sind vor allem andere Vietnamesen. Viele arbeiten in Geschäften von Landsleuten, in der Küche, im Lager. Dort lernt man kein Deutsch. So ging es auch Herrn Nguyen.

Als er merkte, dass seine Kinder viel mehr schon Deutsche waren als Vietnamesen, dass sie lieber Abendbrot aßen als scharfe Reisnudelsuppe, da gab er seinem Sohn neben seinem vietnamesischen auch einen deutschen Namen. Er heißt nun Maximilian oder Anh Tu. Die Tochter, 15 Jahre alt, wurde zuerst geboren, da gab es diese Tradition noch nicht. Sie heißt bloß Kieu My. "Pech für mich", sagt sie. In der Schule machten die Lehrer "Kiö" daraus, weil das leichter zu buchstabieren ist. Das ärgert sie. So richtig nett seien die Deutschen nicht zu ihr, sagt sie. Eines Tages werde sie von hier weggehen. Nach Amerika vielleicht. Ihr Bruder hat ähnliche Pläne. Dabei sind beide gut integriert, sprechen perfekt Deutsch, sie könnten später einmal erfolgreich sein, so wie die Söhne Van Dan Les. Wenn sie denn in Deutschland bleiben.

Viele von denen, die Sarrazin meint, blieben nicht, sagt Phan Huy Thao, der am äußersten nordöstlichen Rand von Berlin in einem der tristen Plattenbauten Marzahns sitzt, die durch die Fernwärme so stark überheizt sind, dass man selbst bei Minus 10 Grad Außentemperatur die Fenster aufmachen muss. Herr Phan ist Integrationsberater des Vereins "Reistrommel", der für die Vietnamesen, die vom Job Center dazu verpflichtet werden, Integrationskurse anbietet.

Herr Phan ist nicht davon überzeugt, dass seine Landsleute als Vorbilder für Integration gelten sollten. Die meisten Vietnamesen seien nicht integriert, sondern bloß unauffällig, sagt er. Sie hätten sich eine eigene Infrastruktur aufgebaut, ein geschlossenes ethnisches Netzwerk, in dem sie alles auf Vietnamesisch abhandeln könnten - Arbeiten, Einkaufen, zum Arzt gehen, in die Fahrschule, in die Disko. In der Gesellschaft tauchten sie kaum auf, nähmen kaum teil an Debatten.

Das größte Problem sind für Herrn Phan diejenigen, die an diesem Vormittag nebenan in einem Klassenraum des Vereins sitzen und sich abmühen, Wörter wie "Kleiderschrank" oder "Fernsehapparat" auszusprechen: junge Menschen aus dem armen Zentralvietnam, zwischen 20 und 30 Jahre alt, die erst seit einem oder zwei Jahren in Deutschland sind, darunter Frauen, die aussehen wie Schulmädchen, aber längst Kinder haben, und Jungs mit extravaganten Frisuren und viel Schmuck im Gesicht, an Ohren und Hals, die desinteressiert in den hinteren Bänken sitzen.
Die meisten sind als Familiennachzügler gekommen, vor allem, um Geld zu verdienen, möglichst schnell, am besten in einem der Blumenläden oder Imbisse, die von den Verwandten geführt werden. Aber weil das Job Center oder die Ausländerbehörde sie erst einmal zum Deutschlernen schickt, sitzen sie nun in Marzahn und lernen Vokabeln von Einrichtungsgegenständen, anstatt zu arbeiten. Man müsse sie regelrecht in die Kurse zwingen, sagt Herr Phan. Auch nach vielen Stunden würden sie nichts verstehen, und ihre Kinder gäben sie nicht in die Kindertagesstätte, sondern setzten sie vor den Fernseher, weshalb die mit drei Jahren dann weder Deutsch noch Vietnamesisch sprächen. Diese Kinder, prophezeit Herr Phan, werden später nicht so gut in der Schule sein wie jene der ehemaligen Vertragsarbeiter.

Aber auch die Kinder der Einwanderer aus den siebziger und achtziger Jahren, von denen Sarrazin schreibt, sie hätten in Berlin "höhere Abiturientenquoten" und wiesen "bessere Schulleistungen vor als die deutschen Schüler", eignen sich möglicherweise nicht als Vorbilder. Herr Phan und viele andere, die sich mit den eingewanderten Vietnamesen beschäftigen, vermuten hinter den guten Schulleistungen eine streng autoritäre Erziehung, wie sie in Vietnam noch immer üblich ist. Extremer Leistungsdruck, auch Gewalt. Oft würden die Kinder außerdem zu einem Studium gezwungen, das ihnen keinen Spaß mache, sagt Herr Phan. Auch deshalb fänden sie später keine gute Arbeit. Soziale Berufe seien verpönt, weshalb nur wenige Deutsch-Vietnamesen sich für die Gesellschaft engagierten. Die meisten von ihnen studieren BWL.

So zerrissen die Gruppe der Vietnamesen in Berlin auch ist, es gibt einen Ort, an dem sich alle treffen, egal, wie lange sie schon hier leben, egal, wie gut integriert sie sind. Das "Don Xuan Center" ist ein Großmarkt in Lichtenberg, wo vietnamesische Händler in sechs zugigen Zelthallen hauptsächlich Ramsch verkaufen: glänzend lackierte Schäferhundstatuen für den Vorgarten, flauschige Decken mit Tiermotiven, fleckig gefärbte Röhrenjeans und billigen Schmuck, aber auch frisches asiatisches Gemüse, das man sonst nirgends findet. Auch Van Dan Le kommt sonntags hierher, wenn er Zeit hat zumindest. Dann geht er zum Friseur, seine Frau zur Maniküre, es wird getratscht und Arbeit vermittelt, man geht in eins der Restaurants, in denen auf großen Fernsehern vietnamesische Talentshows laufen. Im Inneren des "Don Xuan Center" tobt das Leben. Genau wie in Saigon, sagt Herr Le. Von außen ist davon nichts zu sehen.

Text: F.A.Z.

http://www.faz.net/s/RubA24ECD630CAE40E483841DB7D16F4211/Doc~E72A70F5050B94F158B18CC702AFD1EAE~ATpl~Ecommon~Scontent.html